Stand 04.07.2023
Person
Über die Person Eugeniu Botnari ist uns bisher leider nicht viel bekannt. Sollten Sie ihn gekannt haben wären wir sehr dankbar über weitere Informationen über seine Person, die helfen ihn würdig in Erinnerung zu halten.
2015 kam Eugeniu Botnari im Alter von 33 Jahren aus Moldavien nach Deutschland. Hier hattte er wohl keinen eigenen festen Wohnsitz sondern kam bei Freunden und Verwandten unter. Er hinterließ eine Frau, die als Nebenklägerin beim Prozess gegen seinen Mörder auftrat. Die einzigen Foto, die wir von ihm kennen, sind polizeiliche, auf dem die Verletzungen an seinem Kopf deutlich sichtbar sind. Diese werden, aufgrund der erniedrigenden Eigenart von Polizeifotos, hier nicht gezeigt.
Tat
Am 17. September 2016 wurde Eugeniu Botnari in dieser Edeka-Filiale Berlin-Lichtenberg vom Filialleiter André Siebert beobachtet. Kurz darauf brachte Siebert den 34-jährigen in einen verschlossenen Raum des Supermarkts und bezichtigte ihn des Diebstahls. Er zog seine Quarzhandschuhe an und prügelte mehrmals auf den wehrlosen Botnari ein, bevor er ihn trat und aus einer Hintertür in den Hof stieß. Der Filialleiter filmte seine Tat und kommentierte diese mit rassistischen Bemerkungen. Später schickte er die Aufnahme über soziale Medien an die Mitarbeiter*innen.
Am folgenden Tag besuchte Botnari, gezeichnet von schweren Verletzungen, seine Familie. Er beschrieb den Vorfall und erzählte, er sei „wie ein Hund“ zusammengeschlagen worden. Seine Familienangehörigen rieten ihm, zum Arzt zu gehen. Doch Botnari musste warten, bis ein Arzt, der ihn ohne Versichertenkarte behandelt, Sprechstunde hatte. Wenige Tage später besuchte er einen Freund. Hier klagte er über schwere Kopfschmerzen und konnte die Nacht über nicht schlafen. Als der Freund Notärzt*innen rufen wollte, verließ Botnari dessen Wohnung. Um den 19. September herum ging Botnari zum Arzt, der ihn sofort ins Krankenhaus einwies. Hier starb er am Tag darauf, dem 20.09.2016 an einer Hirnblutung.
Gerichtsprozess, staatliche Ermittlungen
Der Berliner Beratungsstelle Reach Out zufolge wurden Ende Januar 2017 Ermittlungen gegen den Lichtenberger Filialleiter André S. aufgenommen und ein Gerichtsverfahren gegen ihn eröffnet. Während der gesamten Verhandlung wurden die rassistischen und sozialchauvinistischen Einstellungen des Angeklagten und einiger Zeug*innen offensichtlich. Allen Prozessbeobachter*innen wurde klar, dass es ähnliche Taten schon mehrfach gegeben hatte. So benutzte der Filialleiter laut Zeug*innenaussagen seine Quarzsandhandschuhe regelmäßig gegen jene, die er als vermeintlich „Ausländer“ erkannte. Diese waren meistens obdachlos. Es war die Regel, sie in einen Lagerraum zu bringen, dort zu schlagen und dies zu filmen. Das Gericht sprach den Angeklagten am 27. März 2017 der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig und verurteilte ihn zu 3 Jahren und 3 Monaten Haft. In der mündlichen Urteilsbegründung verwies der vorsitzende Richter auf die Menschenverachtung, den Rassismus und Zynismus, die der Angeklagte bei der Tatausübung gezeigt habe.
Das Gericht war davon überzeugt, dass mindestens ein Schlag des Filialleiters mitursächlich für den Tod von Eugeniu Botnari war. Weder das Gericht noch die Nebenklagevertretung thematisierten den gesellschaftlichen Rassismus und Sozialchauvinismus, in dessen Kontext die Tat möglich wurde. Die Tat wurde vor Gericht individualisiert und auf individuelle Einstellungen der Tatbeteiligten reduziert.
Reaktionen
In Pressetexten fällt vor allem die sozialchauvinistische Darstellung auf. Wiederholt wird Botnari auf die vermeintliche Straftat des Diebstahls reduziert und so eine Teilschuld am eigenem Tod impliziert. Einige Meldungen kommen beinahe ohne Nennung des Names aus, stattdessen wird das Opfer bereits in der Überschrift einer Tat bezichtigt, die auf der Aussage des Täters basiert und der er ohnehin nie verurteilt werden konnte. Während für den Täter die Unschuldsvermutung herangezogen wird, scheint das für Botnari nicht zu gelten. Dass genau der hier reproduzierte Sozialchauvinismus Ursache bei der Tat gewesen ist, wird nicht thematisiert oder reflektiert.
Als die Umbenennung des Bahnhofsvorplatzes Im Juli 2023 im Berliner Amtsblatt veröffentlicht wurde, wiederholt sich die sozialchauvinistische Darstellung Botnaris in den Medien. Erneut fallen Medien wie BILD und BZ damit auf, Botnari als Kriminellen darzustellen und seinen Mörder als jemanden, der „das Recht in die eigene Hand“ nahm. Dass Eugeniu Botnari Opfer rechter Gewalt wurde, blieb hier meist gänzlich unerwähnt.
Ein Berliner Edeka Chef soll einen Ladendieb totgepruegelt haben(vice, 29.09.16)
Supermarket manager arrested after ‚beating shoplifter to death'(mirror.co.uk, 30.09.2016)
Dieser Edeka-Chef soll Ladendieb totgeprügelt haben(Bild, 30.09.16)
Der rätselhafte Fall des toten Edeka-Ladendiebs(Welt, 30.09.16)
Die Polizei bittet um Mithilfe im Falls des totgeprügelten Ladendiebes(Berliner Woche, 05.10.16)
Ehrung für einen totgeprügelten Ladendieb (bz, 03.07.23)
Stadt benennt Bahnhofsplatz nach moldawischem Ladendieb (exxpress.at, 03.07.23)
Gedenken
Die erste Gedenkkundgebung für Eugeniu Botnari fand 2018 statt. Sie wurde in Zusammenarbeit von Aktiv in Lichtenberg, der VVN-BdA und Anwohner*innen organisiert und unterstützt durch den CURA-Opferfonds für Betroffene rechter Gewalt.

Im Jahr 2020 fand erneut eine Kundgebung der selben Gruppen statt. Hierbei wurde nun die Forderung nach der Schaffung eines Gedenkortes für Eugeniu Botnari laut, die Bennnung des Bahnhofsvorplatzes. Seitdem sind die Initiativen bemüht öffentlichen Druck auf die Verantwortlichen aufzubauen, um ihr Vorhaben in die Tat umsetzen zu können. Mehrere Parteien haben zur Lichtenberger Bezirksverordnetenwahl 2021 die Umbenennung des Bahnhofsvorplatzes in ihrem Programmen in Aussicht gestellt. Im April 2023 wurde von der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen, dass der Bahnhofsvorplatz den Namen „Eugeniu-Botnari-Platz“ bekommen solle. Zudem solle im Rahmen der Umgestaltung des Platzes eine Gedenktafel für Botnari und alle Opfer rechter Gewalt aufgestellt werden. Lokale Künstler*innen gestalten im Juli 2023 zudem die Schallschutzwand am S-Bahnhof Lichtenberg im Gedenken an Eugeniu Botnari.
Aktuelle Beiträge
Im Gedenken an Eugeniu Botnari und Kurt Schneider – Antifaschistisches Gedenken in Lichtenberg (08.08.2021) – 17.08.2021 | 12 Uhr | Rudolf-Reusch-Straße 8 | Offizielle Einweihung der Gedenktafel für Kurt Schneider vom Bezirk Lichtenberg 17.08.2021 | 18 Uhr | Rudolf-Reusch-Straße 8 | Antifaschistische Kundgebung zur Einweihung der Gedenktafel für Kurt Schneider 20.09.2021 | 17 Uhr | Eugeniu-Botnari-Platz am S+U Lichtenberg (Ausgang Weitlingstraße) | Antifaschistische Kiezdemonstration „In Gedenken an Eugeniu Botnari – Nazis raus aus dem Kiez!“ 06.10.2021 | 18 Uhr | Rathaus Lichtenberg (Möllendorffstraße 6) | Antifaschistischer Gedenkspaziergang zum Todestag von Kurt Schneider Ein antifaschistischer Kiez braucht eine antifaschistische Gedenkkultur. Dafür demonstrieren wir. Wir wollen den… (Weiterlesen…)
Lichtenberger Gedenkbroschüren verfügbar! (17.09.2020) – Seitdem wir im letzten Jahr die Gedenkarbeit anlässlich des Mordes an Kurt Schneider mit der Kundgebung am 06. Oktober aufgenommen haben, waren wir nicht untätig. Bestärkt durch den Zuspruch und durch die Vernetzung in der “Niemand ist vergessen” Gedenkkampagne wurde auch die Gedenkarbeit für Eugeniu Botnari wieder aufgenommen. Wir hatten das Glück uns mit Initiativen, Expert:innen und engagierten Menschen vernetzen zu können, deren Erfahrungen und Expertise wir gemeinsam zu Papier gebracht haben. Das Resultat sind zwei Broschüren, die das Gedenken an Eugeniu Botnari und Kurt Schneider thematisch einordnen und die… (Weiterlesen…)
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